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Mehr Qualität statt Quantität

Influencer Marketing wandelt sich: Qualität schlägt Quantität – weg von Massen-Kooperationen hin zu gezieltem, langfristigem Dialog. Theresa Hein zeigt, warum lokale Influencer gerade jetzt boomen, Start-ups mehr als nur einmalige Deals brauchen, Politik mit Influencern vorsichtig sein muss und Public Affairs künftig stärker auf strategische Influencer setzen werden. Ihr Fazit: Nachhaltigkeit, Professionalität und lokale Nähe sind die Zukunft – für Marken und Creators gleichermaßen.

Theresa Hein ist Beraterin im Bereich Strategische Kommunikation und Social Media und gründete 2015 das digitale Stadtmagazin Hannoverlife. Im Bereich der strategischen Kommunikation fokussiert sich Theresa Hein vor allem auf politische Kommunikation, in welchem Bereich sie auch an der Freien Universität promoviert. Seit 2021 verantwortet sie zudem beim Mikronährstoff Start-Up orgnx.me die Marketing & PR-Aktivitäten.

Mehr Qualität statt Quantität

Was mich nachdenklich macht ist, dass wir aktuell ein großes Gap sehen: auf der einen Seite gibt es Unternehmen, die  Influencer Marketing bis aufs kleinste Detail professionalisiert haben. Auf der anderen Seite müssen viele (auch große) Unternehmen erst an Influencer herangeführt werden und es muss ihnen erklärt werden, dass Werbeplatzierungen nicht für umsonst zu erhalten sind. Mein berufliches Feld erstreckt sich (1.) von meinem eigenen digitalen Stadtmagazin @hannoverllife (lokale Kommunikation) (2.) zur Arbeit im Start-Up im Bereich Mikronährstoffe (3.) zur politischen Kommunikation hin zu (4.) meiner Promotion, in der ich das Thema in Bezug auf Public Affairs betrachte.

Für Sie möchte ich jeweils einen Trend aus jedem Bereich ausführen. Bevor ich beginne: Qualität geht über Quantität.  Das steht für alle Bereiche und damit meine ich, dass die Zeit, in der 30 Influencer zur selben Zeit ein Produkt beworben haben, vorbei ist.

1. Influencer werden in der lokalen Kommunikation unterschätzt

Dadurch, dass die Welt in Zeiten von Corona nochmal unübersichtlicher geworden ist flüchten viele Konsumenten ins Private und in die Heimat. Dies ist der Boom für personengeführte Städteaccounts. Wo gibt es den besten Kaffee?  Welche Jobmöglichkeiten gibt es in meiner Stadt? Ja, das Follower-Wachstum mag endlich sein, jedoch folgen mir zum  Beispiel auf Hannoverlife bei Instagram aktuell um die 42.000 Personen, die zu 60% aus Hannover kommen. Eine attraktive Werbeplattform für Unternehmen aus Hannover, mit denen ich schon spannende Projekte umsetzen durfte.

2. Influencer-Kooperationen sind bei neuen Produkten und Unternehmen kein Garant auf Erfolg

Das, was vor einigen Jahren noch leichter ging, neue Unternehmen aufzubauen, indem man Influencer mit Produkten beglückt, ist vorbei. Das macht es schwerer für Start-Ups, die anfänglich ohne großes Budget eine Marketing-Strategie aufbauen müssen. Influencer sind kritisch, setzen sich sorgfältig mit Produkten auseinander und wollen auch   teilhaben. Daher entwickelt sich der Trend dahin, neben einer klassischen einmaligen Kooperation die Zusammenarbeit  auf Langfristigkeit auszulegen und Influencer auch an Unternehmenserfolgen zu beteiligen oder auch, andere Wege zu gehen, wie Co-Creations. Influencer sind Bestandteil von einem Marketing-Mix, aber die Promotion von Produkten über  Influencer ist kein Garant für langfristigen Erfolg.

3. Influencer in der Politik sind für Parteien kein Erfolgsmodell

Der Hype war da, das stimmt. Influencer wurden auf Parteitage eingeladen und berichten von politischen Geschehnissen. Im letzten Jahr sind viele Influencer sehr politisch geworden. Manchmal auch zu politisch, dass sie nicht mehr neutral sondern eine bestimmte Sichtweise vertreten. Dafür werden sie geschätzt aber auch kritisiert. Aus der Erfahrung und als Trend kann ich sagen: wenn reichweitenstarke Personen auf eine politische Organisation zukommen, um zu berichten,  sollte man dies als politischer Akteur zulassen. Jedoch sollten Parteien nicht mehr Influencer aktiv anschreiben und  um eine Berichterstattung bitten.

4.  Influencer  werden  in  der  politischen Interessenvertretung eingesetzt

Ein Trend, den es meiner Meinung nach stärker zu beobachten gilt. In meiner Promotion an der FU Berlin setze ich mich  mit digitaler Kommunikation in den Public Affairs auseinander. Der Teilbereich “Influ-encer” ist zwar unterforscht, jedoch hat sich in meiner Master-Arbeit das Bild gezeigt, dass einige Interessenvertreter (seien es Verbände, NGOs, Beratungen oder Unternehmen) bei einem öffentlichkeitswirksamen Thema gewillt sind, Influencer einzusetzen. Um sich  nicht angreifbar zu machen, oftmals ohne Bezahlung, aber strategische Überlegungen sind für diesen Bereich erkennbar   und nicht zu unterschätzen. Dies wird meiner Meinung nach die Richtung sein, in die sich Influencer Marketing  entwickeln wird, da nicht nur mehr Produkte sondern auch politische Ansichten beworben werden. Dabei ist mein Appell  an alle Influencer und Agenturen: setzt euch kritisch mit den Themen auseinander! Was können wir nun erwarten? Ich sehe in der Zukunft viel Qualität und Professionalität im Bereich Influencer Marketing. Ich stelle die These auf, dass eine zu starke politische Positionierung dem Influencer langfristig schaden wird, sich aber Unternehmen darauf  einstellen müssen, dass Influencer viel kritischer - vor allem in Bezug auf die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt - werden. Den größten Zukunftsgedanken sehe ich im Bereich der lokalen Kommunikation, die meines Erachtens noch völlig  unterschätzt ist - lokale Influencer treffen auf lokale kleine, große und mittelständische Unternehmen. Es können sich viele neue Symbiosen ergeben, die Stand heute noch gar nicht benannt werden können. Ich bin gespannt auf die Zukunft!